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Unter dem Schutz der Trutzburg
Hoch
über Gorey ragt die mächtige Burg Mont Orgueil auf. Jahrhundertelang sollte sie
den Menschen auf dem in Sichtweite liegenden Frankreich deutlich machen:
Versucht erst gar nicht, Jersey zu erobern. Das hat geklappt und irgendwie doch
nicht. Ihre Orte und Straßen tragen überwiegend französische Namen, gesprochen
wird aber immer noch englisch. Denn die Insel im Ärmelkanal ist, wie ihre
kleineren Schwestern Guernsey, Alderney, Sark und Herm, seit rund 1000 Jahren im
Besitz des englischen Königshauses.
So gar nicht englisch ist
dagegen das Klima dort. Bedingt durch den Golfstrom wiegen sich Palmen an der
riesigen Bucht von St. Aubin, an manchen Böschungen glüht der Ginster. Die
durchschnittlichen Temperaturen pendeln im Sommer um die 21 Grad Celsius.
Zahlreiche Gärten und Parks profitieren davon, dass es dafür im Winter nur
selten Frost gibt, wenn sie nicht gerade das „Beast from the East“ heimsucht.
So
nennen sie den heftigen Kälteeinbruch Ende Februar dieses Jahres. Marcus Binney
entschuldigt damit die Lücken in der Blütenpracht, die normalerweise seinen
Privatgarten bei St. Lawrence schmückt. Den weißen Hartriegel hat es jedoch
nicht getroffen. Prunkstück des
„Domaine des
Vaux“, das der bekannte Architekturhistoriker zusammen mit seiner Frau
bewirtschaftet, ist sowieso das Arboretum.
Schon seine
Eltern, erzählt der 73-Jährige, waren angetan vom Farbenspiel der Blätter an den
Gehölzen. „Bäume tun manchmal komische Dinge“, betont Binney, der in
Denkmalschutzdingen auch vom britischen Thronfolger Prinz Charles um Rat gefragt
wird und die Führungen durch die fünf Hektar große Anlage mit einigen deutschen
Wörtern humorvoll zu würzen weiß. Dabei zeigt er auf eine Sumpfzypresse. Vor
drei Jahren habe sich diese entschlossen, ihre ihr zu nah gekommenen Nachbarn
nicht mehr zu mögen und das Wachstum eingestellt. Jetzt treibe sie plötzlich
wieder Blätter und Blüten hervor, „kurios, aber das ist das Interessante an
Gärten“. Und wenn Binney einmal keine Antwort weiß: „My wife will know.“
Gattin Anne hat jedoch noch
andere Aufgaben. Jedes Jahr im Juli rücken die Grünschattierungen der Bäume und
Sträucher in den Hintergrund. Dann zieht der Teil des Gartens das Interesse auf
sich, den die Besitzer den „italienischen“ nennen. Dort veranstaltet Mrs. Binney
als Direktorin ein exklusives Opernfestival für etwa 300 Besucher.
Bevor die Binneys „Domain des Vaux“ zu einem kleinen Gartenparadies kultivierten, wurden auf dem Gelände Kartoffeln angebaut. Die oft noch mit angeschwemmtem Seegras gedüngte Knolle ist eine Spezialität der Insel und als „Jersey Royal“ im Königreich so begehrt, dass die Bauern sogar Steillagen damit bepflanzen. Als Beilage präsentieren die Köche sie gerne in vielen Variationen zu ihren französisch geprägten Gerichten mit frischem Meeresgetier in den kleinen Restaurants an den Häfen. Auch sie hat unter dem „Beast from the East“ gelitten: Um drei Wochen verzögerte sich die Ernte, die zudem um 20 Prozent niedriger ausfiel.
Unbeeindruckt überstanden hat ein vierbeiniges Kulturgut
das Wetterphänomen. Sanftmütig blicken die hellbraunen Jersey-Kühe aus
langbewimperten Augen unter ihrem rotblonden Pony über die Weidezäune.
Stattliche 3000 Exemplare des besonders fett- und eiweißhaltige Milch gebenden
Rindviehs grasen in 15 Herden auf der nur 14,5 Mal acht Kilometer großen Insel.
Deren Maße fordern mindestens
einmal im Jahr sportliche Naturen dazu heraus, den Kronbesitz in Gänze zu
umrunden. „Round the Rock“ heißt der 77 Kilometer lange Benefiz-Ultramarathon.
Start und Ziel liegen in der Hauptstadt St. Helier. 2000 Jersey-Pfund, etwa 2200
Euro, winken dem, der diese Strecke unter sechs Stunden absolviert. Wenigen ist
das bisher gelungen. Alle Finisher unter acht Stunden bekommen eine
Goldmedaille. Unterwegs dürften sie sich nicht wirklich für die ausgedehnten
Strände wie dem des Surfer-Eldorados St. Quen interessieren. Genauso wenig
werden sie an solche Sehenswürdigkeiten wie den romantisch gelegenen Leuchtturm
von La Corbiére, die pittoresken Gärten des Seigneur Vincent Obbard in
Samarès
Manor oder die unheimlichen Weltkriegsbunker der Deutschen denken und auch nicht
an die alten Wälder, die das Herz jedes Wanderers auf „The Rock“ höher schlagen
lassen. Vielmehr gilt es für die Sportler, sich des bis zu zwölf Meter messenden
Tidenhubs zu vergewissern, um zur rechten Zeit sonst schroffe Küstenabschnitte
passieren zu können.
Doch
Jersey ist in erster Linie ein Ort für Ruhe und Erholung. Das beweist auch das
gut vier Kilometer lange Marathon-Teilstück zwischen Plémont Bay und Grève de
Lecq. In sicherer Höhe verlaufend, lohnt es sich unbedingt, unter bequemes
Wanderschuhwerk genommen zu werden.
Vor
30 Jahren wurde dieser schmale Pfad wie viele andere durch ein
Arbeitslosenprojekt trittfest ausgebaut und an steileren Stellen mit Stufen
versehen. Immer wieder bieten die mit Farn übersäten Abhänge spektakuläre
Ausblicke auf den Atlantik, der 80 Meter tiefer drunten schäumend ein weißes
Band um die Felsen zieht. Hin und wieder durchbricht das Kreischen von
Austernfischern die Ruhe. Oben am Himmel ziehen Rohrweiden ("Marsh Harriers")
auf der Jagd nach Kaninchen lautlos ihre Kreise. Füchse haben sich offenbar
tatsächlich durch Mont Orgueil Castle vom Betreten der Insel abschrecken lassen.
Ein gut ausgebautes Busnetz erspart es dem Wanderer, sich
mit dem Mietauto zu den einzelnen Stationen zu quälen und auf Rundstrecken zu
beschränken. Ohnehin ist es nicht unbedingt ein Vergnügen, die zwar malerisch
begrünten, dafür umso engeren Landstraßen zu befahren. Zum einen, weil die
Inselbewohner ungeachtet dessen der Höchstgeschwindigkeit von 64 km/h nach oben
hin gerne mal untreu werden. Zum anderen, weil sie dem Festlandseuropäer gefühlt
immer auf der falschen Seite entgegenkommen. Denn auf Jersey fährt man natürlich
links.
Weitere Fotos Jersey 2018 +++ Jersey-Reisebericht 2006
Jersey-Infos:
Anreise:
Jersey wird im Sommer wöchentlich von verschiedenen Flughäfen angeflogen, u.a.
mit Umstieg und Flughafenwechsel in London. Direktflüge gibt es ab Düsseldorf,
Hamburg, Berlin-Tegel und München. Fährverbindungen gibt es von St. Malo
(Frankreich), Portsmouth und Pole (beide England).
Preise:
Gehobenes europäisches Niveau. Die Insel gehört nicht zur EU und gilt aufgrund
eigener Gesetzgebung als Steueroase. Der Finanzsektor ist die
Haupteinnahmequelle, mit Abstand folgen Landwirtschaft und Tourismus.
Entsprechend hoch sind Banken- und Nobelautodichte. Ein Zimmer mit Frühstück im
Hotel kostet von 100 bis über 400 Euro, ein Drei-Gänge-Menü in einem
Mittelklasse-Restaurant ab 27 Euro.
Beispiele für gutes Wohnen und/oder Essen:
The Grand Jersey Hotel
am Rand von St. Helier;
L´Horizon Beach Hotel in
St. Brelade;
The Old
Court House Inn in St. Aubin;
Tipps:
Wer wissen möchte, wie Jersey schmeckt, bucht eine „Foraging Tour“ mit Kazz
Padidar. Der Guide zeigt, welche Pflanzen am Wegesrand und im Watt essbar oder
ungenießbar sind.
www.wildadventuresjersey.com
Wanderungen mit den Blue Badge Guides
In den Gewächshäusern der Erich Young Foundation,
La Rue du
Moulin de Ponterrin,
Victoria Village, Trinity, blühen preisgekrönte Orchideen.
Kurator Chris Purver
führt von mittwochs bis samstags durch die behindertenfreundlich gestaltete
Ausstellung, die auch mit dem Bus erreichbar ist.
www.ericyoungorchid.org
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