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Ganz Schweden
auf kleinem Raum
Stockholm eignet sich auch als Wochenend-Ziel
Drei Monate lang ließ Ragnar Österberg seine Frau im Garten verschiedene Treppenmodelle hinauf- und hinabsteigen. Dann hatte der ehrgeizige Architekt sein Ziel erreicht. Zwar währte seine Ehe danach nicht mehr lange. Doch die Treppe für den perfekten Gang war entstanden. Davon können sich Millionen von Fernsehzuschauern im Dezember wieder überzeugen, wenn die schwedische Königin Silvia im Stockholmer „Stadthuset“ elegant die besagten Stufen zur „Blauen Halle“ hinabschreitet. Dort findet alljährlich das Festbankett der Nobelpreisträger statt.
Vor 82 Jahren von Österberg erbaut, ist das Rathaus zwar noch ein junges unter den geschichtsträchtigen Gebäuden Stockholms, muss sich jedoch hinter keinem davon verstecken. Kann es auch gar nicht, denn sein 106 Meter hoher Turm überragt sie alle. Von oben hat der Besucher einen herrlichen Ausblick über die Stockholmer Innenstadt und ihre unzähligen Wasserflächen, allen voran der herrliche Mälarsee.
Ihre Aufnahme in den Flugplan einiger Billig-Flieger hat die Beliebheit der schwedischen Hauptstadt als Wochenend-Reiseziel noch gesteigert. Wer Stockholm kennenlernen möchte, wird ganz nebenbei zum Inselhüpfer. Auf nicht weniger als 14 Holmen genannte Eilande verteilt sich das Stadtgebiet, und die doppelstöckigen Aussichtsbusse passieren ein ums andere Mal eine seiner 40 Brücken. Besonders beliebt: der Stadsholmen mit der historischen Altstadt, Gamla stan genannt. In ihren verwinkelten engen mittelalterlichen Gassen finden sich noch Spuren deutscher Kaufleute. Ihr einstiges Viertel schmiegt sich an die Tyska kyrkan, die deutsche Kirche.
Viele Deutsche sind es auch, die sich neben skandinavischen Gästen vorzugsweise auf die Spuren der königlichen Familie begeben. Dabei wird rasch die Zuneigung deutlich, die die einheimische Bevölkerung ihren Monarchen gegenüber empfindet. Freiwillig melden sich Rekruten zur Ehrenwache, und für ihre Angehörigen sind Schloss Drottningholm oder das Stadtschloss die Ausflugsziele schlechthin, wenn ihre Söhne und Töchter in Uniform davor paradieren. Drinnen vermitteln Hunderte von Gemälden, Roben und Schmuckstücken einen Eindruck von der wechselhaften Geschichte des Volkes und des Herrscherhaues, dessen Ahnenreihe untypischerweise sogar einen zum König gewählten Franzosen aufweist.
Dem Umstand, dass unter der schwedischen Krone nicht immer ein so friedfertiger Geist wie heute herrschte, verdankt Stockholm seinen zurzeit meistbesuchten Anziehungspunkt, das Vasa-Museum. Weil König Gustav II. Adolf sein neues Kriegsschiff mit Waffen, Schnitzereien und anderem Zierrat überfrachtete, kam die Vasa bei ihrer Jungfernfahrt am 10. August 1628 nur ein paar Hundert Meter weit. Dann legte sie sich einmal leicht, dann noch einmal stärker auf die Seite. Wasser brach durch die weit geöffneten Geschützpforten ein. In Minutenschnelle sank sie vor zahllosen entsetzten Zuschauern an den Ufern und bereitete fast 50 Seemännern und Handwerkern ein nasses Grab. Erst 1961 wurde die Vasa wieder in Bruchstücken geborgen und aufwändig restauriert. Viele gut erhaltene Werkzeuge und Kleidungsstücke aus dem Rumpf des damals größten Kriegsschiffs der Welt vermitteln darüber hinaus einen Eindruck vom Leben nichtadeliger Menschen im 17. Jahrhundert.
Ganz Schweden auf kleinem Raum an einem Tag lässt sich unweit des Vasa-Baus erleben. Skansen, das älteste Freilichtmuseum der Welt, zeigt auf 300 000 Quadratmetern mehr als 150 landestypische Gebäude in möglichst natürlicher Umgebung. Dort spiegelt sich die Geschichte Schwedens wider, und Besucher können erleben, wie die Menschen dort früher lebten. Handwerker demonstrieren auch an den Adventswochenenden ihre Kunst in historischer Kleidung, im Zoo mit nordeuropäischen Tieren zählt eine Elchfamilie zu den Attraktionen, und die wichtigsten Festtage Schwedens werden in diesem lebendigen Museum ebenfalls gefeiert.
Lebendig geht es auch außerhalb der 70 Museen und über 100 Galerien zu. In den Einkaufsstraßen Vasagatan, Drottninggatan, Hamngatan und Kungsgatan herrscht turbulentes Treiben. Der Euro lässt die Preise für Konsumgüter bezahlbarer als früher erscheinen, muss allerdings zuvor in schwedische Kronen umgetauscht werden. Liebhaber von Bars und Boutiquen fühlen sich im Ortsteil Södermalm wohl, wo zwischen den Straßen Folkungagatan und Götgatan die heitere Atmosphäre der nordischen Hafenstadt besonders zu spüren ist.
Erkunden, Geschichtsunterricht oder Shoppen machen hungrig. Zur Stärkung empfiehlt sich ein Smörgadbord, ein üppiges Büfett landestypischer kalter und warmer Speisen bei Bier und eiskaltem Aquavit. Wer dies im Grandhotel mit Blick auf den Saltsjön genießen darf, wird versprechen, dass er nach Stockholm zurück kommt. © Uwe Wahlbrink 2005
Informationen: www.stockholmtown.com Weitere Fotos Zur Startseite