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Neben der Bettenburg kräht der Hahn

Der mächtige Hotelneubau am Rand von Kos-Stadt liegt noch in tiefem  Schlaf. Nur den Hahn stört das nicht, der unüberhörbar den Ostflügel des Gebäudekomplexes seit 3 Uhr ankräht. Kleine Katen neben Bettenburgen sind nicht selten, denn Kos "boomt". Und wer dort die Zeit verschläft, sitzt mit seinem Hühnerstall schnell zwischen allen Stühlen oder besser: allen Hotels. Kos, das ist ein 50 Kilometer langes und etwa sechs Kilometer breites griechisches Eiland. Als drittgrößte der zwölf Dodekanes-Inseln liegt es in Sichtweiter der türkischen Küste, zwei Tragflügelbootstunden von Rhodos entfernt, drei Flugstunden von Hannover (z.B. mit TUI). Die hohe Fruchtbarkeit und das angenehme Klima haben Kos schon früh und dann immer wieder zum Gegenstand kriegerischer Auseinandersetzungen werden lassen.

Von den modernen "Eroberern", die heute auf dem Flughafen Andimachia landen, ist die Landwirtschaft jedoch in den Hintergrund gedrängt worden, mit allen Problemen, die der Tourismus mit sich bringt. "Jeder der 22.000 Bewohnerlebt heute direkt oder indirekt vom Fremdenverkehr", berichtet deren Präfekt und Bürgermeister von Kost-Stadt, Konstantin Kaiserlis.

Trotzdem hat sich Kos seine Liebenswürdigkeit erhalten, die selbst in der Stadt die vielen Rohbauten mit dem typischen Klimaanlagen-Aufsatz übersehen lässt. Dazu zählt nicht nur der Hahn neben dem Hotel, sondern auch der ambulante Gemüsehandel mit dem knatternden Kleinlastwagen oder der geschwätzige Alte, der am grobsandigen Strand der Stadt Sonnenliegen vermietet. Nicht zuletzt gehören dazu die 45.000 Fahrräder und Mofas. Sie warten nur darauf, ihre Mieter zu den unzähligen idyllischen Flecken der Insel zu bringen. Meist ebene Straßen und noch unbefestigte Sandpisten machen das Fahren zu einem Vergnügen. Nervenstärkere Naturen mit dem nötigen Kleingeld leisten sich eins der vielen Taxis, deren Chauffeure allesamt den Führerschein bei Formel-1-Pilot Niki Lauda gemacht zu haben scheinen.

Malerische Buchten, schroffe Steilküsten und verträumte Dörfer belohnen Ausdauer und Mut. Die fotogene Säule, eben noch auf einer Andenkenkarte bewundert, gibt es tatsächlich - ein Rest der Basilika St. Stephanos bei Kefalos -, oder die weiße Kapelle vor azurblauem Meer - über Limonis. Auch der müde Esel nebst ebensolchem Besitzer ist kein gestellter Folklore-Gag - in Pili laufen beide dem Fotografen vor die Linse. Und den weiten Blick über die Ebene von Tingaki, dort, wo weiße Flächen von der Salzgewinnung aus dem Meer künden, den hat der Betrachter von Zia aus, dem Bergdörfchen am Fuße des 846 Meter hohen Dikoos. In der Taverne unter schattenspendendem Oleander in Platini beweisen geschmorte Auberginen, überbackene Zucchini und gefüllte Weinblätter, daß nicht alles Tsatsiki heißt, was griechische Vorspeise sein will.

Natürlich lassen sich die Uhren, das zeigen die vielen Neubauten, auch auf Kos nicht zurückdrehen. Stehengeblieben zu sein scheinen sie aber an einigen Plätzen. Denn: Auch Kos hat seine Trümmer und  Säulen aus vielen Epochen. Hervorzuheben ist dort das Asklepion. Nach einem der Heilkunst kundigen Sohn des Gottes Apollon benannt, stellte es im 4. und 4. Jahrhundert vor Christus so etwas wie Heiligtum und Sanatorium zugleich dar, Grund vieler Ärztekongresse heute aus Kos. Im Asklepion widmete man sich der Heilung von Körper und Seele gleichermaßen. einer der Asklepiaden, wie sich seine Priester nannten, war übrigens Hippokrates, dessen Grundsätze in Fragen der Hilfeleistung, Abtreibung und Schweigepflicht für viele Ärzte heute noch bindend sind.

Wenn im  Asklepion gelegentlich Schülerinnen und Schüler in historischen Gewändern die Zeremonie nachspielen, in der der hippokratisch Eid abgelegt wird, hat Georgos Soutanos alle Hände voll zu tun. Unermüdlich rennt der 63-jährige und prominenteste Fremdenführer der Insel die zahlreichen Stufen des Heiligtums auf und ab, um die Touristen aus dem Weg der jugendlichen Darsteller zu treiben.

Auffällig sind in Kos-Stadt die Baulücken. Wo immer bei Tiefbauarbeiten Reste vergangener Zeiten entdeckt werden, muß die Baustelle bis zur genaueren Untersuchung stillgelegt werden. Für letzteres fehlen dann die finanziellen Mittel, und so bleibt es erst einmal bei der Lücke.

Natürlich gibt es auch vollendete Ausgrabungen. Vieles haben die heute von den Griechen so gescholtenen Italiener während ihrer Besatzungszeit von 1911 bis 1943 zutage gefördert. Davon zeugt die Casa Romana, in der eine römische Villa aus dem 3. Jahrhundert rekonstruiert wurde. Das Museum von Kos beherbergt vor allem Skulpturen hellenistischer und römischer Epochen. Über dem Hafen thront eine um 1400 erbaute Festung der Johanniter, und ausgedehnte Ausgrabungsfelder im Stadtinneren zeigen Reste von Bauten aus dem 3. und 2. Jahrhundert vor Christus.

Wer auf Baden und sonnen steht, hat die Qual der Wahl wischen zwei "Strandlinien". An der Nordwestküste kühlt der ständig wehende "Meltimi"-Wind die Badenden wischen Limonis und Kos-Stadt. Bei Tingaki treibt er die Katamarane und Boards von Holgers und Astas gutsortierter Off-Limit-Surfschule voran. Ruhigeres, kinderfreundliches Wasser und mildere Luft kennzeichnen die auf der anderen Inselseite liegende "Paradise-Beach", die sich kilometerlang zwischen dem zweitgrößte Ort der Insel, Kefalos, und Kardamena erstreckt. Die Eigenwerbung "clean und peacefull" ist dabei gar nicht einmal übertrieben.

Außerhalb on Kos-Stadt geht es vielfach noch ruhig und verträumt zu, nicht so in der Metropole selbst. Pulsierender  Autoverkehr, der 1989 von einer Fußgängerzone zurückgedrängt werden soll, ist allgegenwärtig. Palmen und Oleander geben der Stadt dennoch das Äußere eines großen Gartens. Die Diskotheken liegen unter freiem Himmel vor der Stadt. Sicher - die Souvenirläden mit nachgemachten Markentextilien gibt es auch, aber bei 380.000 Touristen jährlich - und die Zahl steigt - ein offenbar notwendiges Übel. Die Gastfreundschaft der Griechen ist dafür einmalig. Daß Insider die Insel schon für überlaufen halten, läßt einen Mallorca erprobten Gast allerdings nur müde lächeln.

Kos ist als Hafenstadt Ziel- und Ausgangspunkt vieler Schiffsausflüge. Einer davon führt nach Kalymnos. Wer sich der Insel von See her nähert, vermutet wischen den kargen Bergrücken keine so malerische Hafenstadt wie Pothia, Hauptort der von 18.000 Menschen bewohnten Dodekanes-Insel. Überraschend grüne Täler und kristallklare Wasser, dessen Kiesgrund allerdings  Badeschuhe verlangt, laden um Urlaub in Beschaulichkeit ein. Erst langsam entwickelt sich dort der Tourismus.

Noch ruhiger geht es auf Leros zu. Ein paar  Seemeilen weiter von Kost entfernt als Kalymnos, steckt der Tourismus hier noch tiefer in den Kinderschuhen Hotels sind Mangelware, gefragt sind Individualisten. Kleine, aber feine Strände auch für Surfer gibt es zuhauf, die schönsten aber wohl in Alinda. Mit Ausnahme des mächtigen Johanniterkastells, das über Pantelli, Aghia Marina und Platanos wacht, sind Sehenswürdigkeiten rar auf Leros. Wohl deshalb schwärmen die Taxifahrer, gleichzeitig die besten Fremdenführer der Insel, in Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg: Da war mal was los auf Leros.

Doch zurück zum verträumten, lebhaften, verschlafenen, modernen, romantischen, faszinierenden Kos. Der Hahn kräht immer noch. Es klingt wie "Cherete" - Auf Wiedersehen. Gerne! Uwe Wahlbrink 1988©

 

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