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Urwüchsiger Urlaub mit Untertiteln
Das Eisacktal ist mehr als eine Zwischenstation
"Nicht berühren" steht da in drei
Sprachen. Selbst die Kopien der sicher verwahrten
Stiftungsurkunden aus dem Jahr 1142 in der Bibliothek sind zu
wertvoll, als daß Augustinerabt Chrysostomos damit ein Risiko
eingehen würde. Selten gewährt der Vorsteher des Klosters
Neustift im Eisacktal bei Brixen Besuchern selbst die Gunst einer
Führung (Bild). Dann aber läßt
er auf liebenswürdig-bestimmte und fein ironische Art keinen
Zweifel an der Geschichtsträchtigkeit des Bodens, auf dem der
Gast steht. Über Jahrhunderte war das Chorherrenstift
Sammelpunkt des geistigen und kulturellen Lebens in Tirol und
genießt heute auch als Weinkellerei, Schulstandort und
Ökologiezentrum einen ausgezeichneten Ruf.
Die Stiftskirche wirkt ohne Worte. Leuchtende Farben und verspielte Formen lassen in dieser wohl schönsten Barockkirche etwas von der Sehnsucht nach Lachen und Freude ahnen, die ihre Schöpfer vor gut 260 Jahren angetrieben haben mag. Kühl und verschwiegen mahnt der gotische Kreuzgang gleich nebenan zur inneren Einkehr. Beim Abschied weist der Abt den Blick hinüber zum Dom nach Brixen. Mit den Stadtvätern hat er unlängst erfolgreich über den Bau eines Wasserkraftwerks verhandelt. Auch die alte Bischofsstadt hat Architekten, Maler und Bildhauer mit der südtiroler Liebe zum Detail zu kreativen Höchstleistungen inspiriert. Die Wandmalereien im 700 Jahre alten Kreuzgang lassen den Betrachter geradezu in die biblische Geschichte eintauchen. Seine Bedeutung verdankt der größte Ort des Eisacktals nicht zuletzt dem Umstand, daß Bischof Albuin vor 1000 Jahren seinen Sitz von Kloster Säben hierher verlegte.
Säben (Bild) hat sich seine Bedeutung als vielbesuchter
Wallfahrtsort bewahren können. Auf den Resten einer
langobardischen Kirche des 4. Jahrhunderts thronend blickt es
ehrfurchtgebietend auf das 200 Meter unter ihm liegende
malerische Klausen herab, das schon Albrecht Dürer zum
Zeichenstift greifen ließ. Alle drei Jahre erlebt das Kloster
ein besonderes Schauspiel, wenn die Männer der ladinischen
Täler auf ihrer Fußwallfahrt den Berg hinan steigen. Keine
Frage, das Christentum ist der Kulturfaktor des Landes zwischen
Brenner und Bozen schlechthin.
Kunstschätze
beherbergen auch wehrhafte Burgen wie Rodenegg, wo erst 1973 der
Freskenschmuck mit der Iwein-Saga entdeckt wurde. Feinste
Intarsienarbeiten neben handfesten Kachelöfen bilden
bemerkenswerte Kontraste im Renaissanceschloß Feldthurns (Bild).
Etliche Kilometer
weiter im Wipptal ringt das schmucke Barockschloß Wolfsthurn
noch um seinen inneren Frieden wegen der durchaus sehenswerten
ständigen Jagd- und Fischereiausstellung in seinen Mauern. Der
zur Schau gestellte Reichtum dieser einem Freilichtmuseum
gleichenden Region gründet sich auf den einstigen Abbau
silberhaltiger Erze. Die Erinnerung daran wird im imposanten
Schaubergwerk bei Maien lebendig gehalten.
Aber die beiden grenznahen Täler haben auch außerhalb der Baukunst Beeindruckendes zu bieten. Wer den Blick von Fresken, Engelsfiguren, Gobelins und verspielten Erkern zu lösen vermag, den belohnen die Reize mediterraner Vegetation in einer grandiosen Hochgebirgswelt. Vorzugsweise dem Wanderer erschließt sich der zarte Hauch der Apfelblüte, der die sanftgeschwungenen grünen Hänge unterhalb der schroffen Geislerspitzen überzieht, kaum daß die Skisaison zwischen Plose und Meransen zu Ende gegangen ist. Nicht von ungefähr gedeihen in diesem Klima südlich des Alpenhauptkamms auch aromatische Weine, deren Verkostung auf traditionsreichen Anwesen wie dem Pacherhof geradezu zelebriert wird.
Perfekt wird der Genuß mit anisiertem Schüttelbrot und
Südtiroler Speck vom Brett - eine Spezialität, die bei milden
20 Grad geräuchert und über 24 Wochen gereift erst nach
intensiver Prüfung ihren Ritterschlag in Form eines
Brandzeichens erhält.
Gastfreundschaft hat Tradition in diesem "Durchgangsland" zwischen Nord und Süd, in dem die Leistungen den Preisen gerecht werden. Beim freundlichen "Grüß Gott" der Bewohner verblassen die spröden "Nicht berühren"-Schilder und die Entscheidung zur Weiterreise fällt schwer. Viele, die hier in "luschdiger G'sellschoft" rasten dürfen, entdecken ein Tal zum Wiederkommen. Kostenlos ist dabei der Sprachunterricht: Im deutschsprachigen Südtirol ist jedes Schriftstück vom Wegweiser bis zur Speisenkarte pflichtgemäß mit italienischer Übersetzung versehen. So wird der Aufenthalt gleichsam zum Urlaub mit Untertiteln.
Gegenüber dem nicht unbedingt geliebten Staatsvolk haben sich die Einheimischen auch mit der Pflege vieler Sitten und Gebräuche ihre Eigenständigkeit bewahren können. Trachtenumzüge und Volksfeste bieten farbenprächtige Bilder. Schon prägt die typische auf den Gaben von Feld und Flur fußende Küche den Ruf der "Eisacktaler Genießerstraße", und verschiedene Spezialitätenwochen schmeicheln den Besuchergaumen.
Das Festhalten an Althergebrachtem darf jedoch nicht mit "Altmodischsein" verwechselt werden. Dem Bergwanderer blitzt aus dem Tal eine wachsende Zahl von Swimmingpools leuchtend blau entgegen. In den gut erhaltenen mittelalterlichen Stadtkernen bieten sich ausgezeichnete Einkaufsmöglichkeiten, es gibt ein Verzeichnis motorradfreundlicher Betriebe. Und im Brixener "Max", der größten Diskothek Südtirols, tanzt ab, was später einmal Stammgast im Eisacktal werden soll.
®1999 uwa
Informationen: www.eisacktal.com
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